Navigation auf uzh.ch

Suche

URPP ITINERARE

Patient Interview: Lucie Hofmann

Bild: privat

Zitat: „Auch wenn man von einer schweren einschränkenden Krankheit betroffen ist, sollte man sein Leben nie von der Krankheit bestimmen lassen.“

Welche Krankheit haben Sie genau?
Vor über 40 Jahren wurde die Diagnose Polyarthritis gestellt. Der Name der Krankheit wurde abhängig vom Behandlungsort bzw. Arzt*in immer wieder angepasst. Aktuell lautet die Diagnose Mischkollagenose /Systemische Sklerose.

Welche Symptome haben Sie?
Zu Beginn der Erkrankung waren Einschränkungen am Bewegungsapparat vorherrschend. In den letzten Jahren erschweren die Leistungseinbussen meinen Alltag, verursacht durch die Lunge (Lungenhochdruck, Lungenfibrose) und das Herz, sprich wiederkehrenden ASD (Vorhofseptumdefekt) und Herzrhythmusstörungen.

Wann sind Sie bzw. Ihre Eltern auf die Symptome aufmerksam geworden?
Schon in der 5. und 6. Klasse konnte ich an kalten Tagen meine Hand nicht mehr öffnen, sondern musste mit der anderen Hand nachhelfen. Beim Skifahren hatte ich immer eiskalte, weisse Finger. Doch damals hat niemand an eine ernsthafte Erkrankung gedacht. Erst als ich mit 12 Jahren Schmerzen an den Knöcheln und in den Knien bekam, ging ich zum Hausarzt.

Wie lange hat es bis zu einer präzisen Diagnose gebraucht? Wie viele Ärzte haben Sie gesehen?
Der Hausarzt hat sofort an eine rheumatische Erkrankung gedacht und einen Rheumafaktortest veranlasst. Da der positiv ausfiel wurde ich an einen Rheumatologen verwiesen.

Wie haben Sie und Ihre Familie die Suche nach einer Diagnose erlebt? Was war schwierig oder belastend?
Die Diagnose wurde schnell gefunden und ich hatte bereits mit einer Herz-Operation Erfahrung mit Erkrankungen gemacht. Deshalb war es für mich nicht wirklich belastend. Geholfen hat dabei auch, dass meine Eltern immer normal mit mir umgegangen sind und mich nie in Watte gepackt haben.

Hatten Sie in der Abklärung auch manchmal das Gefühl, nicht genügend ernst genommen zu werden?
In der ersten Zeit haben meine Eltern entschieden und ich wurde als Kind überhaupt nicht gehört bzw. ernst genommen. Auch im Verlauf hatte ich immer wieder mal das Gefühl nicht ernst genommen zu werden. Als es auch nach einer Ansprache meinerseits nicht besser wurde, habe ich auch schon den Arzt oder Ärztin gewechselt. Ernst genommen zu werden hat für mich einen grossen Einfluss auf das Vertrauen zum Arzt / Ärztin und ohne das funktioniert die Beziehung nicht.

Gab es allenfalls nach der Diagnose Schwierigkeiten mit der Krankenkasse, um ein Medikament oder eine Therapie zu bekommen?
Es gibt immer wieder Probleme mit der Krankenkasse, die erst Behandlungen oder Medikamente ablehnt bzw. Therapien kürzt. Manchmal hilft ein Rekurs des Arztes/Ärztin, damit die Kosten dann doch übernommen werden, manchmal hilft es jedoch auch nicht. Dann muss ich die Kosten selber tragen. Manchmal kann auch eine Zusammenarbeit von verschiedenen Ärzten, der Pharmafirma und der Krankenkasse zu einem positiven Entscheid führen.

Was bedeutet Ihre Krankheit für Sie heute im Alltag?
Lange Jahre konnte ich trotz der Einschränkungen meiner Erkrankung meinen Alltag mit etwas Hilfe gut meistern. Mit Fortschreiten der Krankheit, besonders in den letzten Jahren, haben sich die Probleme immer mehr verstärkt. Körperlich Aktivitäten bzw. auch kleinste Anstrengungen werden immer beschwerlicher und ich brauche immer längere Zeiten, um mich wieder zu erholen. Inzwischen kann ich nichts mehr spontan unternehmen, sondern muss alles planen. Die Krankheit wird immer präsenter in meinem Leben.

Wie gehen Ihre Familie/Freunde damit um?
Mein Vater wollte die Krankheit nie wahrhaben. Während meine Mutter mich immer unterstützt hat und noch immer tut. Ein soziales Umfeld aufzubauen ist schwierig, denn viele Menschen sehen nur, die Einschränkungen und nicht was für Möglichkeiten mit etwas Kompromissbereitschaft und Anpassungsfähigkeit noch möglich wären. Mit Freunden habe ich vereinbart, dass ich mich melde, wenn ich bei irgendwas Hilfe brauche. Für mich ist Selbständigkeit wichtig, ich möchte so viel wie möglich im Alltag selber erledigen.

Haben Sie Kontakt zu anderen Betroffenen? Einer Patientenorganisation?
Ja, ich bin Mitglied in verschiedenen Patientenorganisationen. Die Informationsangebote, die angeboten werden und auch der Austausch mit anderen Betroffenen helfen bei der Bewältigung des Alltags, sei es mit Tipps oder auch nur der Tatsache, dass man nicht allein mit der Krankheit ist.

Möchten Sie sonst noch etwas erzählen/erwähnen?
Auch wenn man von einer schweren einschränkenden Krankheit betroffen ist, sollte man sein Leben nie von der Krankheit bestimmen lassen. Man sollte immer ein Hobby haben, das einem Freude macht oder ein Ziel haben, für das sich das Leben lohnt. Ich ziehe Kraft aus Reisen, die ich unternehme, den Fotos, die ich dabei mache und dann in einem Fotobuch zusammenstelle. Dafür, dass ich es wage solche Reisen zu machen, werde ich von meinem Umfeld bewundert und wie ich mit der ganzen Situation umgehe, sehen mich andere als Vorbild. Das tut mir gut und spornt mich an, weiter meinen eingeschlagenen Weg zu gehen.

(Quelle: ITINERARE/ Interview: Carola Fischer/Stand: Februar 2025)